Wenn von Schnitzel die Rede ist, bilden sich rasch zwei Lager. Die einen bevorzugen dünn geklopftes Kalbfleisch, die anderen Schweinefleisch, jeweils ohne Knochen. Weitere Erwähnung findet zum einen der erregende Kontrast von zartem Innen und krossem Außen und zum anderen ein wenigstens in der Andeutung herzhaft animalisches, süßliches Aroma, das den gerösteten, mit Butterfett, Schmalz oder Pflanzenöl vollgesogenen Semmelbröseln Paroli zu bieten vermag. Dass es auch Exemplare vom Hähnchen gibt, von der Pute, seltener von Leberkäse und Jagdwurst oder aber aus Sellerie, verschwindet ebenso hinter der Debatte wie die Frage, was ein Schnitzel überhaupt ausmacht.
Weniger Fleisch gehört heute zum guten Ton
Offenkundig ist es nicht an das Fleisch bestimmter Tiere gebunden. Vielmehr beschränkt sich der Begriff erst einmal auf Form und Format. Deshalb wird ein unregelmäßiges Oval in der Portionsgröße eines herkömmlichen Tellergerichts, dessen Zubereitung in der Pfanne nur wenig Zeit beansprucht, als Schnitzel tituliert. Ob die in der Regel zwischen 150 und 200 Gramm wiegende Tranche vor dem Backen in Paniermehl gewendet wird oder bloß in Weißmehl oder aber ganz ohne Getreidehülle auskommt, liegt im Ermessen der Küche. Noch nämlich hat die geläufige Praxis, die der Wiener Tradition zu verdanken ist, zu keiner Norm geführt. Deshalb dürfen sogar Gerichte den vielversprechenden Namen tragen, die vollständig auf Fleisch verzichten. Von selbst versteht es sich jedoch, dass auch vegetarische und vegane Varianten den Zähnen einen gewissen Widerstand bieten sollten.
Die pflanzliche Variante gehört nicht gerade zu den Paradegerichten der vegetarischen Tradition. Wirklichkeit wird ihr verliehen mit Hilfe von Soja- und Weizenproteinen, Getreidestärke, Binde- und Quellmitteln, Faser- und Füllstoffen, diversen Aromen sowie pflanzlichen Fetten. Das relativ neutrale Kunstfleisch ordnet sich der Panierung noch mehr unter, als das bei herkömmlichen Schnitzeln ohnehin der Fall ist. Seine rösche Rinde aus Brotkrumen knackt zwischen den Zähnen, massiert die Zunge und gibt dabei das klassische Pfannenaroma frei, häufig noch akzentuiert von Zitronensaft.
Dennoch vermag dieses auffälligste Attribut die Aufmerksamkeit nicht ganz vom synthetischen Kern abzulenken. Auch wenn die Hersteller alles tun, um das Bedürfnis nach dem Geläufigen nicht zu brüskieren, entscheidet letztlich dessen Zugänglichkeit über den Erfolg eines Veggie-Schnitzels. Dass mehrmals im Jahr nun neue fleischfreie Schnitzel in die Kühlvitrinen der Supermärkte gelangen und dort mit demselben Aplomb präsentiert werden wie herkömmliche Lebensmittel, ist Ausdruck eines mächtigen Trends, der immer weitere Kreise zieht.
Während die vegetarische Ernährungsweise vor fünfzig Jahren noch etwas Sektenhaftes an sich hatte, gehört es heute zum guten Ton, zumindest phasenweise Fleisch und tierische Produkte überhaupt von der Tafel zu verbannen. Ethische Motive und gesundheitliche Impulse aufseiten der Verbraucher verschränken sich hier mit dem Geschäftssinn von Nahrungsmittelfabrikaten. Ihnen gelingt es nicht selten, kostengünstig erzeugte Plagiate zum Preis der Originale unter die Leute zu bringen.
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