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#Michael Sandels Buch „Das Unbehagen in der Demokratie“

Die Stimmung in der westlichen Welt ist angespannt. Zwar eint die gemeinsame Frontstellung gegen Russland, doch kann die hier demonstrierte Geschlossenheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass die politischen Gewissheiten verblassen, die sich im Zuge des Nachkriegsaufschwungs gebildet und im Untergang des realen Sozialismus bestätigt hatten. Ihren Ausdruck findet diese Veränderung in einer zunehmenden Fragmentierung der politischen Welt, die sich kaum noch zu überbrückenden Gegensätzlichkeiten verdankt. Ob das eine Gefahr für die Demokratie ist, wie gelegentlich vermutet wird, oder nur der Ausdruck eines Wettstreits, der gerade für Demokratien typisch ist und daher eher deren Lebendigkeit als ihren Untergang markiert, ist eine offene Frage. Für Michael J. Sandel, dessen bereits in den Neunzigerjahren erschienene Diagnose der gewandelten Leitvorstellungen der amerikanischen Politik nun in einer erweiterten Neuausgabe vorliegt, ist diese Frage freilich längst beantwortet.

Wie es der Untertitel des Buches nahelegt, sieht Sandel die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens bedroht, und zwar durch eine sich seit Langem abzeichnende Verschiebung in den Leitvorstellungen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die sich immer weniger an den Bedingungen und Möglichkeiten republikanischer Partizipation, sondern an ökonomischen Effizienzvorstellungen orientiere. Die Konkurrenz der hier maßgeblichen politischen Semantiken ist nach Sandel, der sie in seinem Buch von der Gründung der Vereinigten Staaten bis zum Ende der Amtszeit von Reagan verfolgt, für das amerikanische Demokratie- und Republikverständnis konstitutiv.

Während die eine Seite vor allem auf die Sicherstellung politischer Strukturen im Sinne republikanischer Partizipation abzielte, setzte die andere auf ökonomische Effizienz als Bedingung eines freien Lebens. War für die eine Seite die republikanische Teilhabe ausschlaggebend, die es auch gegen ökonomischen und sozialen Wandel zu stabilisieren galt, vertrat die andere Seite die Auffassung, die Freiheit der Bürger bestehe darin, gemäß ihren eigenen Vorstellungen leben zu können, solange dadurch nicht die Rechte ihrer Mitbürger infrage gestellt würden. Hatte der Staat im ersten Fall die republikanischen Strukturen zugleich zu stabilisieren und die Bürger zu aktiver Partizipation zu erziehen – was zu Konflikten mit den Mechanismen des sich entfaltenden Kapitalismus führte –, vertrat die andere Seite die Auffassung, der Staat habe die Freiheit seiner Bürger zu respektieren und vor allem für ökonomische Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit als Bedingungen eines freien Lebens zu sorgen.

Eine tiefgreifende Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern

Sandels Diagnose ist eindeutig: Der Einfluss der politischen Kräfte, die für eine Bändigung ökonomischer Entwicklungen im Interesse einer möglichst breiten republikanischen Partizipation plädierten, war zwar bis in die Sechzigerjahre stark, verblasste dann aber immer mehr zugunsten einer Politik, die allein auf Wohlstand und Verteilungsgerechtigkeit setzte und die Frage der republikanischen Partizipation letztlich dem freien Kalkül der Menschen überließ. Für Sandel führte das bereits unter Reagan zu einer erkennbaren Erosion der republikanischen Teilhabe, deren Stärkung er für eine existenzielle Frage der amerikanischen Gesellschaft hält.

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