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#Mephisto ist keiner von uns

Unter den österreichischen Schauspielern, den Lebenslänglichen des Wiener Burgtheaters, ist Klaus Maria Brandauer womöglich der deutscheste. Aber unter den deutschsprachigen Stars des internationalen Kinos, unter denen, die wegen ihres Akzents vor allem die Exoten, die Schurken und Ausländer spielen müssen, ist er mit seinem schönen Singsang, seinem unabweisbaren Lächeln und der Lust, die eigene Rolle ironisch zu betrachten, der, der am wenigsten teu­tonisch wirkt, noch weniger als Arnold Schwarzenegger.

Wobei sich Brandauer diesen Querverweis wohl verbitten würde, weil es ihm doch um die Kunst geht, nicht um Muskeln, Action, Maschinengewehrsalven. Und um Geld nur insofern, als er vor vielen Jahren in einem Interview es ausdrücklich gutgeheißen hat, dass, je schlechter der Film sei, desto höher die Gage liegen sollte.

Aber das Handwerkszeug eines Schauspielers sind eben, außer Geist und Können, vor allem sein Körper, sein Gesicht, seine Stimme; dann die Herkunft und die Biographie – und wie sich seine Kunst aus diesen Bedingungen heraus entwickeln musste, das hat der junge Brandauer mit respekteinflößender Schamlosigkeit in „Mephisto“ vorgeführt, István Szabós Film von 1981, der als Klaus-Mann-Verfilmung und Paraphrase über Gustaf Gründgens’ Verführungskunst und Verführbarkeit nicht ganz überzeugend ist. Und als Porträt und Selbstporträt des Schauspielers Brandauer umso schöner und genauer.

Brandauer in „Mephisto“


Brandauer in „Mephisto“
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Bild: Picture Alliance

Anfangs sieht er tatsächlich wie Heinz Höfgen aus, der Mann aus der Provinz, der sich jetzt Hendrik nennt und etwas werden will in der großen Welt des Theaters. Seine Geliebte gibt ihm Tanzunterricht, er steht da, mit zu dünnen Beinen, untrainiertem Oberkörper, schwächlich, unelegant. Und dann tanzt er, mit solcher Leidenschaft und Willenskraft, bis er die Geliebte und sich selbst davon überzeugt hat, dass er der unwiderstehlichste Mann der Welt ist.

Der Geist, der stets verneint

Später, wenn Höfgen schnell Karriere macht, führt Brandauer im Schnelldurchlauf vor, dass er jede Rolle kann. Und wenn er als Mephisto bejubelt wird, wagen Brandauer und der Film, was Balzac in den „Verlorenen Illusionen“ wagte, als er vom Triumph, den sein Held Lucien mit einer Theaterkritik feiert, nicht nur erzählte, sondern die Kritik hineinschrieb in den Roman. Brandauer als Gründgens als Mephisto, das ist so aasig, unzeitgemäß, verführerisch, dass man sich wünscht, der Rest des Films wäre „Faust“. Und Bran­dauer saugte aus den totzitierten Versen neues Leben und unerhörte Präsenz.

Brandauers Bedingung war immer die, dass er, einerseits, mit seinen blauen Augen, seinem sinnlichen Mund und dem schon gelobten Lächeln, eine starke Anziehungskraft hatte und hat. Und andererseits war, am allgemeinen Schönheitsideal gemessen, sein Gesicht immer ein bisschen zu breit, sein Schädel oben zu kahl, sein ganzer Habitus ein bisschen zu bodenständig, als dass er, cool, schweigsam, seiner Attraktivität gewiss, mit Robert Redford (in „Jenseits von Afrika“) oder Sean Connery (im „Russland-Haus“) hätte konkurrieren können.

Mein Name ist Largo

Und vielleicht war das ja immer das Geheimnis seiner Präsenz: dass er mit seinem Aussehen arbeitete und zugleich mit all seinem Können dagegen anspielte. Als Maximilian Largo in dem apokryphen Bond-Film „Sag niemals nie“ trägt er ausgesucht hässliche Sakkos und hat eine besonders unvorteilhafte Frisur, und es sieht aus, als brauchte er diesen Widerstand, um sich selbst zu maximaler Schurkenhaftigkeit anzustacheln.

Brandauer in „König Lear“, 2013 am Wiener Burgtheater


Brandauer in „König Lear“, 2013 am Wiener Burgtheater
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Bild: dpa

Die erstaunliche (und zu Unrecht fast vergessene) Ausnahme ist „Georg Elser“, die Geschichte des schwäbischen Handwerkers, der Hitler fast allein zur Strecke gebracht hätte, das Filmporträt eines bescheidenen Mannes, den Bran­dauer mit fast schon provokanter Bescheidenheit spielt, ein Film, der so präzise und prätentionslos inszeniert ist, wie man das dem Regiedebütanten Brandauer nicht unbedingt zugetraut hätte.

Denn als Filmstar ist er ja meistens zugleich ein Mann des Theaters, der, als Nero oder Danton, sich selbst beim Spielen zu betrachten, dem Klang der eigenen Sätze hinterherzulauschen scheint und auch in der elften Reihe gehört werden will. So wie er als Bühnenschauspieler zugleich der Filmstar bleibt, der Mann, der, je virtuoser er seine Mimikry betreibt, umso deutlicher als Brandauer zu erkennen ist. Einer, der sich die Rollen aneignet, gegebenenfalls auch unterwirft.

Unser Nachbar Ödipus

Dass so einer die Winkelzüge und Vergegenwärtigungen des Regisseurstheaters zurückweist und darauf besteht, dass Ödipus, Nathan oder Wallenstein weder unsere Zeitgenossen noch unsere Nachbarn im Haus gegenüber sind, liegt wohl in der Natur seines Charakters. Es ist trotzdem eine Erkenntnis, der man eine größere Popularität wünschen möchte. Als Brandauer allerdings im Jahr 2006, zur Wiedereröffnung des Berliner Admiralspalastes, ver­suchte, die „Dreigroschenoper“ werktreu zu inszenieren, scheiterte er schon daran, dass dieses Werk noch nicht einmal sich selber treu sein will. Dass er sich danach mit Peter Stein zusammentat, war ein Neuanfang und zugleich Treue gegenüber dem eigenen Lebenswerk.

Klaus Maria Brandauer mag Kritiker nicht leiden, und Interviewer wirft er manchmal hinaus. Beide zahlen es ihm mit Bewunderung und Treue heim. Sie werden ihre Gründe haben. Am heutigen Donnerstag wird Klaus Maria Brandauer 80 Jahre alt.

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