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#Notzeiten als Jungbrunnen für das Volk

„Notzeiten als Jungbrunnen für das Volk“

Seit acht Jahren steht das deutsche Volk in heftigstem Ringen um das nackte Dasein. Als das Schicksal uns in den schweren Völkerkrieg hineinstieß, da war es ein Volk von Gesundheit und bester Wirtschaftskraft, in einem Lande von ansehnlichen Bodenschätzen und tüchtigster Arbeitsorganisation lebend, ein Industrievolk, das in der ersten Reihe der großen und wohlhabenden Nationen stand. Mit zertrümmerter Wirtschaft, verkürzt an seinen besten Nahrungs- und Erwerbsquellen, zerrüttet in seinen Währungsverhältnissen hat dies Volk das schwere Leid eines verlorenen Krieges, die unerträgliche Last des Versailler Vertrages auf sich nehmen müssen, und in seiner sozialen Schichtung haben diese unermesslichen Nöte eine völlige Umstülpung hervorgerufen.

Was hierdurch an Kulturgut zertreten, welche Verheerungen in den Kreisen gerade der besten kulturfördernden Schichten angerichtet worden sind, das fühlen und sehen wir erst allmählich, viel zu langsam fast. Aber unsere Sorge um diese Untergrundzerstörungen an einer einst so stolzen Geisteskultur tritt zunächst zurück hinter der viel brennenderen Frage, wie der außerordentlich großen Notlage nicht erwerbsfähiger Volksschichten zu begegnen sei. Der Zusammenbruch der Mark, die furchtbaren Erschütterungen der Gesamtwirtschaft lasten am stärksten auf denen, die auf den Zehrpfennig aus Ersparnis und Rente angewiesen sind, die nicht oder nicht mehr in Gehalt oder Lohn stehen.

Wir brauchen wahrlich über die Not des Daseins keine Worte zu verlieren, auch nicht darüber, was diesen kommenden Winter so besonders schwer macht. Darüber ist genug gesagt und geschrieben, und wir alle, die wir noch in Brot und Lohn stehen, leiden schwer unter den Sprüngen der Preise und der Kargheit des Auskommens. Umso weniger dürfen wir derer vergessen, auf denen die Not unvergleichlich schwerer lastet, der Alten, der Klein- und Sozialrentner, der Witwen und Waisen.

Auch sie haben einst wacker gearbeitet und den Ertrag ihres Fleißes für das Alter beiseitegelegt, um ihn dann in bescheidenem Dasein zu verzehren. Sie vertrauten auf die staatlichen Sicherheitsverhältnisse, auf die ruhige Stetigkeit staatlichen und wirtschaftlichen Lebens und sind nun bitter enttäuscht worden.


Hier entsteht dem Staate, der die Ersparnisse dieser Schwergeprüften einst zu treuen Händen empfing, Mündelgelder und Notpfennige, Renten der Veteranen der Arbeit und des Krieges, die Pflicht, diesen Opfern eines furchtbaren Volksschicksals beizuspringen. Gewiss haben Reich, Länder und Gemeinden aus dem Gefühl dieser Verpflichtung heraus große Summen zur Linderung der Not aufgebracht, aber es ist angesichts der Größe der Not zu wenig, und die Mittel der öffentlichen Hand sind zu beschränkt. So bleibt nur der eine Weg, das ganze Volk zur Hilfe in der Not aufzurufen, an den Gemeinschaftssinn des Deutschen sich zu wenden, der noch nie versagte, wo es sich um eine große, edle Aufgabe gehandelt hat.

Eine „Deutsche Notgemeinschaft“, die alle Kreise des deutschen Volkes umfassen soll, ist deshalb gestern in Berlin ins Leben getreten. Die Regierungen der deutschen Länder, die deutschen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, die gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen, Städte und Gemeinden, Industrie, Handel, öffentliche und private Wohlfahrtsämter haben sich in gemeinschaftlichen Besprechungen unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers Dr. Brauns zu dem großen Werk zusammengefunden. An anderer Stelle veröffentlichen wir den Aufruf, der über die Ziele der Deutschen Notgemeinschaft unterrichtet. Nun gilt es aber für alle im tätigen Leben Stehenden an ihrem Teile mitzuwirken, dass das Werk zum Ziel führe.

Jeder sollte sich verpflichtet fühlen

Der Aufruf spricht davon, in welcher Weise man die Mittel zur Hilfe zusammenbringen, wie man sie verwenden will. In manchen Städten haben bereits besondere Gemeinschaften für die Unterstützung der Notleidenden gesorgt und wertvolle Erfahrungen gesammelt, wie zum Beispiel hier die „Frankfurter Winternot“; ihren Anregungen und Vorschlägen sollte man Raum geben, keinen Weg, der Erfolg verheißt, sollte man unbetreten lassen.

Die Quellen der Hilfe können ja nicht reichlich genug fließen, mit Eifer sollte man alle zu erschließen suchen, die irgend tauglich scheinen, der gewaltigen Not Hilfe zuströmen zu lassen. Und jeder einzelne sollte sich verpflichtet fühlen, die Hilfsbedürftigen aufzuspüren. Sie entziehen sich ja fast alle, schamhaft und in unendlicher Bescheidenheit, den Augen der Öffentlichkeit; sie möchten nur Leistung und Gegenleistung austauschen und das, was man ihnen geben will, nur als Entgelt für ihre Arbeit hinnehmen.

Darum ist es nicht ganz leicht und erfordert viel Takt, diesen Ärmsten wirksame Hilfe rechtzeitig zukommen zu lassen. Unsere Wohlfahrtsinstitute, besonders die privaten, werden aber die beste Form der Unterstützung schon zu finden wissen, jahrelange Praxis hat hier die Wege und Organe der Hilfe mühsam, aber mit bestem Erfolge ausgewählt. Die Hauptsache bleibt, dass die Mittel der Hilfe nicht ausgehen und immer wieder zuströmen, dass weder bürokratische Schwerfälligkeit, noch selbstgefälliges Protzenmitleid in diese Bezirke edelster Bruderhilfe sich eindrängen können.

Und dieses Hilfswerk, geleistet von den breitesten Schichten des werktätigen Volkes und von den führenden Kreisen, könnte den Segen der Hilfe zum Teil auch den Helfern selbst zugutekommen lassen, wenn aus der engeren Berührung mit Not und Elend unserer am schwersten getroffenen Volksgenossen die Kraft der Entsagung, der Wille zur Selbstbeschränkung und Bescheidenheit in höherem Maße gewonnen würde, als dies bisher noch bei gar vielen der Fall war.

Solche Selbstbesinnung täte der ganzen Wirtschaft gut, würde dem falschen Verbrauch von Gütern entgegenwirken und schärfte das Auge für das Schicksal des Nebenmenschen, für seine Not und die Möglichkeiten der eigenen Hilfe. Dann könnte auch das alte Volkswort sich wieder einmal erfüllen, dass Notzeiten Jungbrunnen eines tüchtigen Volkes seien.

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